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Die Zahl der deutschen Männer, die in Karenz gehen, ist in den letzten drei Jahren von dreieinhalb auf 21 Prozent gestiegen.

Foto: Bernd Thissen dpa

Der Autor Thomas Gesterkamp hat ein Buch über die Rolle der Väter geschrieben: "Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere", Herder Verlag, Freiburg 2007; Neuauflage Verlag Barbara Budrich, Opladen 2010.

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In Deutschland ist die Zahl der Männer, die in Karenz gehen, in den vergangenen drei Jahren deutlich gestiegen. Im Moment sind es 21 Prozent der Väter, die Elternzeit in Anspruch nehmen. Der deutsche Soziologe Thomas Gesterkamp über die Ursachen und warum er sich wünschen würde, dass auch Maßnahmen gesetzt werden, um mehr Teilzeitarbeit für Väter zu ermöglichen.

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derStandard.at: Welche Schwierigkeiten haben Männer in Deutschland, die nach der Geburt des Kindes in Karenz gehen wollen?

Gesterkamp: Bei uns heißt das Elternzeit. Die Zahl der Männer ist in den letzten drei Jahren von dreieinhalb auf 21 Prozent gestiegen, der Anteil der Männer bei den Antragstellern hat sich versiebenfacht. Da sehe ich einen großen Fortschritt. Zwei Drittel der Männer nehmen zwei Monate in Anspruch. Die Monate würden verfallen, wenn sie nicht in Anspruch genommen werden. Immerhin ein Drittel geht auch länger als zwei Monate in Elternzeit. 

Was die zwei Monate betrifft, wird das in den Firmen relativ problemlos durchgewunken. Wenn Väter danach aber sagen, sie wollen längerfristig die Stundenzahl reduzieren, gibt es viele Unternehmen, die das nicht zulassen. Hier gibt es noch weiter Bedarf, das zu ändern.

derStandard.at: Wie hoch sollte die Männerbeteiligung Ihrer Meinung nach im Idealfall sein?

Gesterkamp: Das Ziel der Familienministerin waren 25 Prozent. Das wird in nächster Zeit auch erreicht werden. Die Zahlen sind kontinuierlich gestiegen, denn in Karenz zu gehen ist nichts mehr, für das sich Väter schämen müssen. In anderen Ländern gibt es natürlich noch ganz andere Quoten. In Island waren es vor der Finanzkrise 90 Prozent der Männer, die in Karenz gegangen sind. 

Aber es geht ja nicht nur um das Säuglingsalter, wo die Kinder erzogen werden sollen. Das dauert zwanzig Jahre. Auch Kinder in der Pubertät brauchen ihre Väter, nicht nur die Mütter. Jenseits des Hypes um die Karenzmonate sollte generell die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie verbessert werden.

derStandard.at: Sie sagen, für Männer sei es schwieriger, Familien- und Privatleben unter einen Hut zu bekommen, als für Frauen. Warum?

Gesterkamp: Schwieriger ist es dann, wenn sie stärker in die Erwerbswelt integriert sind als Frauen. Und das ist in der Regel noch immer der Fall. In Deutschland ist es großteils so, dass Frauen die Zuverdienerinnen sind. Sie arbeiten Teilzeit oder geringfügig oder sind Hausfrauen. Väter haben insofern ein Problem, weil sie Geld verdienen, gleichzeitig auch gute Väter sein sollen.

Anfang der 90er-Jahre bin ich selbst Vater geworden. Mich hat es immer interessiert, die privaten Interessen und den Beruf auf einen Nenner zu bekommen. Bei den privaten Interessen spielt nicht nur die Familie eine Rolle, man kann, wenn man berufstätig ist, vielleicht auch seinen Hobbies nicht nachgehen oder weniger verreisen. Die Erwerbswelt ragt wie eine Krake ins Privatleben der Menschen hinein. Arbeit und Freizeit vermischen sich in gewissen Berufen immer mehr. Auch durch die neuen Kommunikationsmittel, man ruft zuhause seine Mails ab und steht immer in Bereitschaft. Das sind alles enorme Herausforderungen für die Familie und für die Beziehung zwischen Männern und Frauen. Vor fünfzig Jahren ist das dadurch gelöst worden, dass die Frauen zuhause geblieben sind. Inzwischen haben auch die Männer ein Vereinbarkeitsproblem. 

derStandard.at: Treten Sie dafür ein, dass Männer verstärkt zuhause bleiben?

Gesterkamp: Ich halte wenig davon, dass sie Hausmänner werden. Ich trete aber für eine neue Balance von Arbeit und Liebe ein. Beide Geschlechter sollen in der Lage sein, sich um die Kinder zu kümmern, auch um pflegebedürftige Angehörige. Das ist auch ein Thema, das auf uns zukommt. Trotzdem soll man auch in der Arbeitswelt mitmischen können, das soll sich nicht gegenseitig ausschließen. Es ist aber schwierig, weil es zwei verschiedene Welten sind. (rwh, derStandard.at, 20.1.2010)